Recruiting als Raketenwissenschaft?

René Jörges

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Bild von: SpaceX-Imagery auf Pixabay

Recruiting als Raketenwissenschaft?

Das Rekrutieren von neuen Fachkräften, sei es notwendig durch Fluktuation, Renteneintritte, Umstrukturierung oder Wachstum des Unternehmens, bedeutet eigentlich keine riesige Herausforderung. Man kann brillieren mit einer sensationellen Unternehmen- und Führungskultur, die zu besetzende Stelle ist klar und greifbar formuliert, man stellt sicher, dass der Bewerber den geringstmöglichen Aufwand betreiben muss, um sich zu bewerben, man hat eine Bewerbermanagementsoftware, die den extrem schlanken und vor allem schnellen Prozesse unterstützt, man kann sich auf kompetente und begeisterte Fachabteilungen verlassen, die die neue Fachkraft sehnlichst erwarten und dafür auch verantwortungsvoll den Auswahlprozess begleiten und zu guter Letzt ist man in allem so zielstrebig und toll vorbereitet, dass der Tag des Onboardings und der warmen Aufnahme in das neue Team und die damit verbundene Einarbeitung asap erfolgen kann. Alles in Allem also keine Raketenwissenschaft.

Der aufmerksame Leser wird längst damit begonnen haben, gedanklich den Vergleich zu seinem eigenen Unternehmen anzustellen und sich zu fragen, wie es auf einen selbst wirken würde, wenn diese beschriebene Welt im Realen nicht existiert. Ich musste leider feststellen, dass die Mehrzahl der Unternehmen, mit denen ich in letzter Zeit in Kontakt stand, derart „schlank“ aufgestellt sind, dass jede Aufgabe, die aus dem Routinegeschäft herausfällt, nur als reine Belastung wahrgenommen werden kann. Natürlich kann ich mit 2 Personalsachbearbeitern 300 Mitarbeiter verwalten. Kann ich mit diesem Aufgebot aber auch Fach- und Führungskräfte aufwändig rekrutieren, die Digitalisierung, die Weiterentwicklung des Unternehmens, die Weiterentwicklung der Mitarbeiter, die Weiterentwicklung meiner Prozesse erreichen und dabei noch innovativ sein? Sicherlich nicht. Und die Lösung liegt auch nicht darin, die beiden Sachbearbeiter als HR-Manager oder Businesspartner zu bezeichnen. Mir zeigt das am Ende nur, dass es nach wie vor nicht gesehen wird, dass die Investition in ausreichend Kapazitäten und Fachwissen der Personalabteilungen unerlässlich ist, um sich den aktuellen Herausforderungen stellen zu können. Die gesamte Industrie ist in einer Art Transformation. Aufgaben werden durch neue Technologien immer komplexer, Mitarbeiter müssen immer flexibler werden, Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen und sind schon lange keine Bittsteller mehr im Bewerbungsprozess.

Wie bereits angemerkt, treffe ich derzeit als Interim-Manager im HR-Bereich auf viele „schlank“ aufgestellten Unternehmen und ich lebe ja irgendwie auch davon. Aber, es gibt derart viele Herausforderungen, dass eine Investition in eine Leistungsstarke HR-Organisation niemanden schaden wird.

(Das jeweils verwendete generische Maskulinum bezieht sich auf m/w/d gleichermaßen!)